Ich sitze am Tisch und lese die Zeitung. Meine Kinder spielen nebeneinander auf dem Wohnzimmerteppich. Es ist so schön friedlich. Plötzlich, aus dem Nichts, weint der Kleine. Der Große habe ihn gehauen, schluchzt er. Oh man, wieso muss er immer so schnell aggressiv sein?
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Ich sitze auf dem Teppich und spiele vertieft. Neben mir spielt mein keiner Bruder. Alle paar Minuten spricht er mich an, um mir etwas zu zeigen. Das stört mich und bringt mich auf meinem Spiel heraus. Jetzt hab ich ihn schon fünfmal drum gebeten, damit aufzuhören, aber er lässt es nicht. Das nervt! Ich stupse ihn gegen die Schulter, er soll endlich aufhören. Oh man, nun weint er. Mama ist stinksauer und schimpft mit mir. Wieso sieht sie nicht, dass das ungerecht ist? Ich fühle mich nicht gesehen.
„Mama, bist du immer mein Freund?“ „Immer und immer.“
Ich bin da, wenn du vor Freude über den Rasen rennst, fröhlich lachst und gar nicht wahrnimmst, dass ich dich ansehe.
Ich bin da, wenn du vor Ärger platzt und nicht aufhören kannst, zu brüllen, weil dir ein Geschehnis als so ungerecht erscheint, dass du es kaum aushalten kannst.
Ich bin da, wenn du alles richtig und perfekt machen möchtest, gar kein Ende finden kannst, obwohl ich dir immer erkläre, dass es darauf nicht ankommt.
Ich bin da, wenn du voller Ungeduld zappelst und keine Muße finden kannst, etwas Angefangenes zu Ende zu bringen, auch wenn so viele Stimmen sagen: das braucht das Kind für’s spätere Leben!
Ich bin da, wenn du mich anstrahlst vor lauter Liebe und die Lebensfreude dir ins Gesicht geschrieben steht.
Ich bin da, wenn du aus dem Nichts vor Wut kochst, mit Stühlen um dich wirfst und dir wünschst, ich wäre nicht deine Mutter.
Ich bin da, wenn du ins Leere starrst, weil du in einer ganz eigenen Welt versunken bist und nicht siehst und hörst, dass deine ganze Familie beim Essen sitzt und auf dich wartet.
Ich bin da, wenn du dich fest an mich drückst, dich nicht von mir lösen kannst und mich so sehr brauchst.
Ich bin da, schaue dich an und versinke in Liebe, wenn du fest eingeschlafen bist.
Ich bin da und immer dein Freund, wegen deiner Unbändigkeit und Anhänglichkeit, deiner Stärke und Schwäche, deiner Angst und Zuversicht, deinen Ecken und Kanten sowie deiner sanften Seele, deiner Andersartigkeit und Gleichheit.
Geschwister streiten sich im Durchschnitt alle 20 Minuten, sagt die Wissenschaft. Bei uns ist es derzeit gefühlt deutlich häufiger. Das zehrt an den Nerven.
Die Auslöser sind scheinbar immer dieselben. Beide wollen dasselbe Spielzeug, der eine hat den anderen beschimpft oder einer hat dem anderen versehentlich wehgetan, woraufhin der andere zurückhaut…. etc.
Puh. ? Man möchte als Eltern diesen meist lautstarken Konflikt möglichst schnell beenden.
Aber: Du kannst Dir ziemlich sicher sein, dass Du nicht alle Komponenten des Geschwisterstreits mitbekommen hast. Nicht immer ist der auffällige Unruhestifter wirklich der Streitauslöser gewesen, vielleicht wurde vorher unauffällig provoziert?
⛔ Was sollten wir als Eltern demzufolge definitiv nicht tun? Zu allererst geht es nicht darum, Täter und Opfer zu benennen, dann Strafen auszusprechen und sogar den mutmaßlichen Übeltäter zu nötigen, sich beim anderen zu entschuldigen. Das könnte von den Kindern als Grenzüberschreitung und Ungerechtigkeit wahrgenommen werden.
? Wie können wir stattdessen helfen? • Mische Dich erst ein, wenn jemand weint oder ein Kind dem anderen ernsthaft weh tut. Verlasse während des Streits dennoch nicht den Raum (wie gelegentlich von Experten geraten wird), sondern bleibe in der Nähe, aber ohne zu beobachten. • Lass die Kinder nach Möglichkeit selbst eine Lösung für ihren Konflikt finden. Du kannst zum Beispiel sagen: „Ich glaube, dass ihr gemeinsam eine Lösung finden könnt. Hat jemand eine Idee?“ Wenn das nicht funktioniert, kann jedes Kind (ohne Anschuldigungen zu formulieren) seine Perspektive darstellen. Als Eltern können wir hier wachsam zuhören, eventuell wird deutlich, was tatsächlich hinter dem Streit steckt. • Zeige deutlich Grenzen für den Geschwisterstreit auf. „Ich verstehe, dass es Dich geärgert hat, dass Deine Schwester Deine Pferde umgeworfen hat. Das kannst Du ihr klar sagen, ohne sie zu hauen. Dem anderen wehzutun ist tabu im Streit!“ • Manchmal hilft es, die Kinder einfach abzulenken und mit einer neuen Beschäftigungsidee den Streitmodus zu unterbrechen. Das ist aber nur eine Notlösung, da das Austragen von Konflikten von den Kindern prinzipiell geübt werden sollte.
Der Kleine reißt dem Großen ungefragt etwas aus der Hand. Der Große boxt dem Kleinen gegen die Brust. Der Kleine weint, der Große ist beleidigt.
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Auch meine Söhne, wenn sie auf dem Spielplatz oder im Kindergarten sind:
Der Kleine reißt dem Großen ungefragt etwas aus der Hand. Der Große: „Hey, da hättest Du mich vorher fragen können!“ Der Kleine: „Ja okay, entschuldigung. Darf ich das bitte mal haben?“ Der Große: „Ja.“ Beide spielen glücklich weiter…
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Könnte ich als Mysterium der Kindererziehung ansehen. Oder aber als Zeichen, dass wir hier zuhause im Prinzip eine gute Erziehungsarbeit leisten ? Beziehungsweise Beziehungsarbeit ? Im Sinne von „Geschwister als Team“ …
Und wenn die Kinder zuhause ihre Gefühle einfach herauslassen, ist das ja auch ein Zeichen von geborgener Kindheit ?
Aber: manchmal wünschte ich, meine Söhne würden sich auch zuhause nach den Prinzipien der gewaltfreie Kommunikation verhalten ??♀️?